DATUM: 13.04.2019
Sie ist schon lange Jahre die Frau in unserem Landkreis, der das Handwerk vertraut: Birgit Ludwig führt seit nunmehr über 15 Jahren die Geschicke und Geschäfte der Kreishandwerkerschaft Westmecklenburg-Süd. Von Themen der Nachwuchsgewinnung und Fachkräftesicherung, über Tarifrechtsfragen und Lobbyarbeit für „ihre“ 16 Handwerksinnungen – die Brandenburgerin aus der Prignitz ist stets ein kompetenter Ansprechpartner für alle ca. 550 Mitgliedsbetriebe. Und das in einer absoluten Männer-Domäne: dem Handwerk. Wir sprachen mit Birgit Ludwig in ihrem Büro in Ludwigslust.
WiFöG: Frau Ludwig, wenn bei Ihnen zuhause etwas zu reparieren ist – also ein Handwerker gebraucht wird - wer fühlt sich bei Ihnen mehr zuständig: Sie oder Ihr Mann?
Ludwig: Oh, das kann ich recht schnell beantworten: mein Mann. Er koordiniert das dann zumeist. (lacht herzlich)
WiFöG: Gibt es bei Ihnen zuhause eher die Tendenz, Dinge – insbesondere kleinere handwerkliche Sachen – selbst zu erledigen? Oder setzen Sie lieber von Anfang an auf das Handwerk als Lösung?
Ludwig: Ach, ich denke, das ist bei uns zuhause ganz genauso, wie bei den meisten anderen auch. Zunächst versucht man, ein Problem schnell selbst zu lösen. Und dann ruft man doch den kompetenten Handwerker. Man hofft ja sehr oft am Anfang eines Problems, Kleinigkeiten selbst zu regulieren. Am Ende hofft man dann, dass es deswegen nicht allzu teuer wird. (lacht)
WiFöG: Sie gehören also nicht zu den überzeugten „Do-it-yourself“-Anhängern?
Ludwig: Nein, gar nicht. Wir sprachen ja eben auch über Reparaturen bzw. Ausbesserungen. Da versucht man es schon eher mal auf die eigene Faust. Ansonsten gilt: Ich weiß, wo meine handwerklichen Grenzen sind. Und auch die meines Mannes. (lacht)
WiFöG: Geboren und aufgewachsen sind Sie ja gar nicht hier bei uns. Sie stammen aus der Prignitz …
Ludwig: Richtig. Ich bin Brandenburgerin. In Wittenberge geboren, aufgewachsen und zur Schule gegangen. Nur zum Studieren zog es mich zwischenzeitlich nach Rostock.
WiFöG: Was genau studierten Sie dort?
Ludwig: Die korrekte Bezeichnung meines Abschlusses weist mich aus als Diplom-Ingenieur Ökonomin. Ich kann also beides: Technik und Wirtschaft. (lächelt)
WiFöG: Wie war Rostock als Studienort und auch als Stadt, in der man lebt? Im Vergleich zu Wittenberge ist Rostock ja deutlich größer …
Ludwig: Auf jeden Fall, ja. Rostock war schon spannend. Die Ostsee, der Hafen, die Universität … Dann aber verstarb mein Vater recht früh und ich ging gleich nach dem Studium zurück in die Heimat. Mit meinem Mann ...
WiFöG: Sie kannten sich da bereits?
Ludwig: Oh ja! Wir sind das, was man eine „Schulliebe“ nennt.
WiFöG: Ihr Mann ist Arzt?
Ludwig: Richtig. Er hat Medizin studiert, machte dann in Wittenberge seine Facharztausbildung und eröffnete nach der Wende eine eigene Praxis. Und dann kam eigentlich die übliche Geschichte: Wir bekamen Kinder und bauten ein Haus in einem idyllischen Dorf, vier Kilometer von Wittenberg entfernt … (lacht sehr herzlich)
WiFöG: Dort leben Sie auch heute – das heißt, dass Sie zu den sogenannten Einpendlern zählen …
Ludwig: Genau. Ich fahre diese Strecke – etwa 50 Kilometer hin und dann wieder 50 Kilometer zurück – um zur Arbeit zu kommen.
WiFöG: Das ist ja ganz schön weit. Wahrscheinlich dürfte man Sie also auch fragen, wie viel Zeit Sie in etwa im Auto verbringen, bzw. wie viele Kilometer Sie im Jahr dienstlich zurücklegen, oder?
Ludwig: Klar, das dürfen Sie gerne fragen. (lächelt) Ich kann Ihnen das in etwa sagen: Ich lege pro Woche insgesamt zwischen 1.000 und 1.250 Kilometer mit dem Auto zurück. Ich muss aber dazu sagen, dass dies mit Abstand mein wohl geringster „Pendleraufwand“ ist. Es ist beinahe schon komfortabel … (lacht sehr herzlich)
WiFöG: Welche Einsatzorte hatten Sie denn zuvor?
Ludwig: Nun, ich begann Mitte der 90er Jahre bei der Handwerkskammer Potsdam. Das waren 160 Kilometer einfache Wegstrecke, die ich zu meiner Dienststelle zurückzulegen hatte. Mit der Zeit pendelte ich aber nicht mehr jeden Tag nach Potsdam, sondern betreute die Außenstelle in Wittenberge. Dann wechselte ich zur ATI Westmecklenburg in Schwerin. Das waren dann ca. 80 Kilometer. Als die Stelle hier bei der Kreishandwerkerschaft ausgeschrieben wurde, hatte ich den Eindruck: Das ist genau mein Ding. Fachlich sowieso und ein doch bedeutend geringerer Pendler-Aufwand. Das war vor etwas mehr als 15 Jahren. 2003 begann ich dann hier in Ludwigslust.
WiFöG: Wenn man auf der Website der Kreishandwerkerschaft die Liste Ihrer Aufgaben betrachtet, dann bekommt man sehr schnell den Eindruck: So eben mal von selbst lässt sich das nicht erledigen. Hand auf’s Herz: Kommen Sie grundsätzlich mit 40 Arbeitsstunden pro Woche aus?
Ludwig: Kaum! (lacht sehr herzlich) Vor allem nicht im Frühjahr und Herbst, wenn die Vorstandssitzungen und Innungsversammlungen der 16 Innungen stattfinden. Mit dem Vorstand der Kreishandwerkerschaft haben wir aber gemeinsam gute Lösungen gefunden.
WiFöG: Ein zweiter Blick auf die Liste Ihrer Aufgaben verrät: Sie führen „mal eben so“ auch die Geschäfte von 16 Kreisinnungen sowie die des Landesinnungsverbandes des Raumaustatter- und Sattlerhandwerks M-V. Benötigen alle Innungen in etwa die gleiche zeitliche Aufmerksamkeit von Ihnen oder gibt es darunter auch zeitintensivere Innungen?
Ludwig: Nicht ganz: Da gibt es schon Unterschiede. Die KFZ-Innung Parchim braucht schon etwas mehr Betreuung, weil wir uns dort beispielsweise auch um den Verkauf der AU- und Umweltplaketten an die Autohäuser kümmern. Das nimmt dann schon Zeit in Anspruch. Es ist insgesamt eine sehr abwechslungsreiche Tätigkeit mit vielen ganz unterschiedlichen Herausforderungen. Und jede Innung und jedes Mitglied verdienen es, dass man sich gewissenhaft um sie kümmert. Das tun wir auch mit unserem Team.
WiFöG: Wie viele Unternehmen aus dem Handwerk gehören Ihnen aktuell an?
Ludwig: Das sind etwa 550 Unternehmen.
WiFöG: Wo verbringen Sie eigentlich mehr Zeit: Im Büro oder auf Veranstaltungen? Zu Ihren Aufgaben gehört schließlich auch das Repräsentieren auf zahlreichen Events innerhalb – aber auch außerhalb unseres Landkreises …
Ludwig: Ach, na ja! (lacht sehr herzlich) Ich glaube, dass ich viel weniger „draußen“ bin, als ich es selbst manchmal gern sein würde. Das Büro und meine Mitarbeiter hier brauchen mich. Und ich sie. Aber in der Tat: Klar, ich bin schon recht viel unterwegs. Oftmals auch in den Abendstunden und/oder an den Wochenenden. Es ist kein klassischer „Nine-to-five-Job“, aber glücklicherweise konzentriert es sich doch recht schwerpunktmäßig auf den Landkreis …
WiFöG: Bleibt da die Zeit für Hobbies?
Ludwig: Wenn man es clever anstellt … (lächelt) Ich tanze sehr gern – gemeinsam mit meinem Mann. Und da ist es schon so, dass ich mir morgens die Tanzschuhe ins Auto stelle, wenn abends Tanztraining ist. Man muss sich gut vorbereiten.
WiFöG: Das ist in der Tat wichtig, wenn der Tag verplant ist. Womit beschäftigen Sie sich noch gern, wenn die Freizeit es zulässt?
Ludwig: Ich reise sehr gern mit meinem Mann. Schon weiter weg, aber nicht „All inclusive“. Wir lieben es, Neues zu entdecken. Und ich spiele gerne Klavier. Aber das eher nur für mich allein.
„Beruflich hilft einem ein gutes Netzwerk oftmals weiter.“
WiFöG: Sie gelten als überzeugte Netzwerkerin und sind an vielen übergreifenden Projekten beteiligt – so auch beispielsweise bei der Verleihung unseres Familiensiegels, wo Sie Teil der Jury sind. Wie wichtig ist es aus Ihrer Sicht, das Handwerk breit zu vernetzen?
Ludwig: Das ist sehr wichtig. Und ich bin in der Tat eine Netzwerkerin. Mein Engagement beim Familiensiegel ist da ein gutes Beispiel. Ich denke, dass es grundsätzlich wichtig ist, offen zu sein und Neues zu entdecken. Wie beim Reisen – so auch im Beruf. Und gerade im Job gilt das sowohl in Bezug auf bestimmte Sachthemen, als auch darauf, auf Menschen zuzugehen, sie kennen zu lernen und so neue Kontakte zu knüpfen. Beruflich hilft einem ein gutes Netzwerk oftmals weiter. Und das Handwerk profitiert davon, wenn wir als „Hauptamtliche“ in vielen Fällen sehr schnell wissen, wo die richtigen Lösungen zu wichtigen Fragestellungen liegen, auch weil wir eben wissen, wer uns unterstützen kann, wenn wir selbst die Lösung noch nicht kennen. Was allerdings nicht sehr oft vorkommt, wie ich betonen möchte.
WiFöG: Welche Rolle spielt das Thema „Familienfreundlichkeit“ im Handwerk? Schließlich haben wir insbesondere dort noch zahlreiche klassische Familienunternehmen?
Ludwig: Das stimmt. Und ich kann Ihnen sagen, dass gerade im Handwerk das Thema „Familienfreundlichkeit“ eine sehr große Rolle spielt. Auch, wenn unter den bislang zertifizierten Arbeitgebern die Anzahl der Handwerksunternehmen doch eher überschaubar geblieben ist – in der Sache machen sich unsere Betriebe da sehr viele Gedanken. Der Großteil unserer Mitgliedsunternehmen ist bestrebt, eigene Lösungen zu entwickeln, die im Ergebnis maßgeschneidert passen. Der Zuspruch unter allen Mitgliedern für das Familiensiegel und damit auch für mein Engagement ist aber sehr positiv.
WiFöG: Wie leicht lassen sich die Kriterien des Familiensiegel in Handwerksbetriebe mit bis zu 15 Mitarbeiter im Alltag implementieren? Stichwort: Flexible Arbeitszeiten, Home-Office etc.
Ludwig: Da liegt mit Sicherheit ein Punkt, der schwierig ist. Home-Office für Handwerker – das wird nicht so leicht umzusetzen sein. Andererseits sind solche Strukturen dort möglich, wo es einen klassischen Office-Bereich gibt. Das Familiensiegel ist ja ein guter Guide für Arbeitgeber, den richtigen Weg in der heutigen Zeit einzuschlagen und familienfreundliche Strukturen zu schaffen. Zumindest nach meiner Beobachtung ist es aber auch so, dass gerade kleinere Familienunternehmen – auch solche, die nicht aus dem Handwerk kommen – dies grundsätzlich schon lange auf ihrem Radar haben und dementsprechende Lösungen, die auf den Betrieb passen, entwickelt und implementiert haben. Dennoch werbe ich auch dort, wo Familienfreundlichkeit schon lange aktiv gelebt wird dafür, das Familiensiegel zu beantragen, weil diese Auszeichnung auch eine starke Außenwirkung hat.
WiFöG: Zu Ihren Aufgaben zählt u.a. auch das, was man landläufig als „Lobbyarbeit“ für das Handwerk und die Anliegen der zahlreichen Mitgliedsunternehmen vor allem auch gegenüber der Politik bezeichnet. Gibt es eine Situation aus Ihrer 15-jährigen Tätigkeit, in der Sie selbst dachten: „Oha, das wird schwierig“?
Ludwig: Natürlich gab es solche Situationen nicht nur einmal. Das wäre ja auch zu schön. (lacht herzlich) Ganz besonders in Erinnerung geblieben ist mir aber die Aufgabe, der ich mich gleich zu Beginn meiner Tätigkeit hier stellen durfte: Die Fusion der Kreishandwerkerschaften aus Ludwigslust/Hagenow bzw. Parchim – und damit verbunden: die künftige Zusammenarbeit der jeweiligen Innungen unter einem gemeinsamen Dach. Das war 2003 bzw. 2004. Ich war noch ganz frisch erst dabei, hatte noch damit zu tun, alle Mitglieder und Kollegen kennen zu lernen. Als die Aufgabe kam, bemerkte ich: Das wird echt schwierig. (lacht) Auch deshalb, weil es um wichtige Zuständigkeiten ging.
„Das Handwerk ist in sehr vielen Bereichen der Zeit voraus.“
WiFöG: Und wie wurde es gelöst?
Ludwig: Letztendlich durch die beiden damaligen Kreishandwerksmeister. Die waren sich einig, dass die Fusion kommen müsse. Und beide gingen damals mit gutem Beispiel voran. Das schaffte Vertrauen in der gesamten Handwerkerschaft. So konnte das Vorhaben gelingen. Man darf ja nicht vergessen – erst etwa acht Jahre später kam die Kreisgebietsreform …
WiFöG: Das Handwerk war also der Zeit voraus?
Ludwig: Absolut richtig. (lacht sehr herzlich) Aber mal ganz im Ernst: Das Handwerk ist in sehr vielen Bereichen der Zeit voraus.
WiFöG: Apropos: Das Handwerk gilt noch immer als eine Männer-Domäne. Es hat sich zwar in den vergangenen Jahren so manches verändert dennoch sind die meisten Meister männlich. Wie verschaffen Sie als Frau sich da ausreichend Gehör?
Ludwig: Das kann ich Ihnen sagen: mit Qualität! (lacht sehr herzlich) Um hier aber mal mit einem Klischee aufzuräumen: Die Vielzahl der Meister sind männlich – das stimmt. Dennoch sind es auch vielfach und zunehmend Frauen in Handwerksbetrieben, die zunehmend die Geschicke steuern und die Betriebe lenken. Und im Handwerk ist es wie überall: Wer mit Argumenten und Qualität aufzuwarten weiß, der oder eben die wird ernstgenommen. (lacht)
WiFöG: Wir sprachen schon darüber – Sie sind mittlerweile seit sehr vielen Jahren dabei. Nun suchen Sie jemanden, den Sie auf die Nachfolge vorbereiten können. Welches wäre die wichtigste Eigenschaft, die ein geeigneter Kandidat für Ihre Nachfolge unbedingt besitzen sollte?
Ludwig: Nun, das sollte jemand sein, der in der Lage ist, als hauptamtlich Angestellter gut mit dem ehrenamtlichen Vorstand zusammenzuarbeiten. Man braucht selbst kein verkappter Handwerker zu sein, man muss sich aber für das Handwerk einsetzen.
WiFöG: So, Frau Ludwig, nun sind wir schon bei der letzten Frage angelangt. Stellen Sie sich vor, Sie landen mit Ihrer Familie auf einer einsamen Insel in der Südsee. Sie hätten aber einen Wunsch frei – Sie dürften sich einen Handwerksbetrieb vor Ort wünschen. Aus welcher Innung sollte der dann kommen?
Ludwig: Oha. (lacht sehr herzlich) Lassen Sie mich einen Augenblick überlegen.
WiFöG: Gar nicht so leicht …
Ludwig: Sie sagen es! (lächelt) Aber ich weiß eine gute Antwort. Ich würde mir einen kompetenten Sanitärbetrieb aus Südwestmecklenburg wünschen. Auf einer einsamen Insel in der Südsee kann man nicht so viel anstellen. Ein Auto hätte ich dort nicht – also brauche ich keine KFZ-Werkstatt. Das gleich gilt auch für den Bereich Elektro. Aber ein vernünftiges Bad mit Badewanne und Dusche – das bräuchte ich unbedingt. Ich vertrage nämlich das Salzwasser nicht so gut. (lacht sehr herzlich)
WiFöG: Frau Ludwig, wir danken Ihnen sehr für dieses Gespräch.
550 Mitgliedunternehmen
16 Innungen
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